Facebook, Amazon oder Alibaba – sie alle sind sogenannte Megaplattformen auf denen unzählige Anbieter und Kunden aufeinandertreffen, um miteinander zu interagieren. Nun handelt es sich bei den drei genannten Plattformen um Unternehmen aus den USA und China – Zufall? Nein, denn tatsächlich dominieren diese beiden Länder aktuell den Plattformmarkt: Unter den Top 100 Plattformen der Welt, nehmen US-amerikanische Firmen rund 66% des Gesamtwertes ein. Danach folgen Unternehmen aus dem Asien-Pazifik-Raum mit 29% und europäische Plattformen schließen sich mit einem Wert von nur 3% an*.
Warum sind Plattform-Unternehmen aus den USA und China so viel erfolgreicher als ihre europäischen Gegenspieler?
Zuerst mag dies daran liegen, dass die USA und China den Plattform-Trend frühzeitig erkannt haben und in den Markt eingetreten sind. Durch den frühen Einstieg in den Plattformmarkt haben sie gegenüber Europa bereits einen Vorsprung, der nur schwer eingeholt werden kann. Als die größten Barrieren für den Einsatz von digitalen Plattformen nennen deutsche Unternehmen in einer Bitkom-Studie die Anforderungen an den Datenschutz und die IT-Sicherheit sowie fehlendes qualifiziertes Personal **. Dennoch sehen sie Plattformen eher als eine Chance als ein Risiko an.
Ein weiterer Grund, der vor allem für Chinas Erfolg auf dem Plattformmarkt spricht, betrifft die Datenlage, die eine komplett andere ist als in Europa. So nutzen insbesondere Online-Versicherungsunternehmen Mobile-Payment-Plattformen, um an Nutzerdaten zur Leadgenerierung heranzukommen. Plattformen wie WeChat und Alibaba haben sich im asiatischen Raum erfolgreich etabliert und wurden von der Bevölkerung schnell akzeptiert. Sie ermöglichen die Verwaltung verschiedenster Bereiche über eine einzige App. So können neben Bankdienstleistungen, sozialen Kontakten und Lieferdiensten auch Versicherungen verwaltet, abgeschlossen und gekündigt werden. Was in den USA und vor allem in China bereits zum Alltag gehört, wird auch in Europa Einzug halten.
Der Plattformmarkt für Versicherungen in China
In China dominieren derzeit drei Unternehmen über den Online-Versicherungsmarkt: Zhong An, Ping An und Alibaba. Sie setzen alle auf unterschiedliche Geschäftsmodelle, haben jedoch gemeinsam, dass sie ihre Produkte über Online-Plattformen vermarkten.
Das Unternehmen Zhong An genießt unter den chinesischen Online-Versicherern einen besonderen Status, denn es ist aus einem Joint Venture zwischen den Internetfirmen Tencent, Alibaba sowie Ping An entstanden und war das erste ganzheitlich digitale Versicherungsunternehmen auf dem chinesischen Markt. Zhong An hatte sich zuerst auf Schaden- und Unfallversicherungen sowie neuartige Produkte, die auf die wandelnden Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten sind, konzentriert. Heute gehören auch private Krankenversicherungen ins Portfolio. Alle Versicherungsprodukte werden über Plattformen wie iYunBao oder WeChat angeboten. Beides sind mobile Anwendungen, die den Nutzern den Zugang zu Online-Versicherungen und deren Verwaltung erleichtern.
Bei der Lifestyle-App WeChat handelt es sich, genauso wie bei Zhong An selbst, um eine Firma des Internetgiganten Tencent. WeChat hatte ursprünglich als Messanging-Dienst angefangen, doch heute ist die App darüber hinaus noch viel mehr. Mit ihrem breiten Serviceangebot ist WeChat bereits in unzähligen Smartphones vertreten. Dies ermöglicht den Zugriff auf Millionen von Nutzerdaten, die von Plattformen verwertet werden. Diese Nutzerdaten werden z.B. von Zhong An genutzt, um neue Kunden zu akquirieren.
Digitale Versicherer aus China verwenden demnach Plattformen sowohl zu Vertriebszwecken als auch zur Kundenbetreuung und Kundenbindung. Weiterhin erweisen sich Plattformen auch zu Marketingzwecken als nützlich. So können Nutzer Links zu ihren eigenen Versicherungspolicen auf sozialen Netzwerken teilen und sie Freunden weiterempfehlen. Für jede abgeschlossene Versicherung über den Link erhält der Nutzer eine Prämie. Word-of-mouth Marketing von dem beide Seite profitieren.
Der Plattformmarkt für Versicherungen in Deutschland
In Deutschland ist eine reine Plattform für Versicherungen wie in China noch nicht vorhanden. Natürlich gibt es Vergleichsplattformen wie Check24 und Verivox, die es Kunden ermöglichen Angebote verschiedener Versicherungen nebeneinanderzustellen. Der Unterschied zwischen Vergleichsplattformen und solchen, die rein auf Versicherungen abgestimmt sind, ist die Möglichkeit Verträge dauerhaft verwalten zu können. Vergleichsplattformen bilden allerdings eine gute Grundlage, um eine Versicherungsplattform auszubauen, denn Anbieter und Kunden treffen sich auf ihrem Marktplatz bereits.
Ein deutscher Dienst, der einer Versicherungsplattform wahrscheinlich am nächsten kommt, ist der des unabhängigen Versicherungsmanagers CLARK. Das Unternehmen versteht sich selbst als „digitaler Versicherungsmakler“ und schaltet sich zwischen den Versicherer und den Kunden. Über eine App (oder auch über die Webseite) haben Nutzer die Möglichkeit Versicherungen digital abzuschließen und sie dauerhaft über CLARK zu verwalten. Der Unterschied zwischen diesem Dienst und herkömmlichen Versicherungsplattformen ist, dass Kunden bei CLARK nur eine gewisse Auswahl an Versicherungen angezeigt bekommen, die auf sie zugeschnitten sind. Dies erleichtert den Kunden einerseits den Überblick zu bewahren, andererseits trifft es nicht ganz den Gedanken hinter dem Konzept der Plattform, auf der unzählige Anbieter und Kunden aufeinandertreffen und interagieren. Der chinesische Internetkonzern Tencent hat allerdings das große Potenzial des Startups erkannt und Anfang dieses Jahres in CLARK investiert, um mit ihrer Hilfe in Europa Fuß zu fassen. Aufgrund dieser Gegebenheit könnte es durchaus passieren, dass CLARK sich mit Hilfe von Tencent und ihrer Erfahrung im Online-Versicherungs- und Plattformmarkt in Zukunft zu einem der wichtigsten Akteure in Europa entwickelt.
Doch was genau ist der Nutzen einer Versicherungsplattform?
Plattformen leben von Netzwerkeffekten. Je größer die Plattform-Community, desto größer auch die Netzwerkeffekte. Insbesondere Kunden profitieren von der Interaktion miteinander wie z.B. über eine steigende Anzahl an Versicherungsbewertungen. Positive Bewertungen stärken zudem das Vertrauen der potenziellen Kundschaft in den Versicherer.
Durch die größere Reichweite von Plattformen, erreichen Versicherer außerdem eine höhere Anzahl an Kunden als über eine eigene Webseite. Weiterhin wird zur Bearbeitung aller eingehenden Anträge und zur Verwaltung des Bestands lediglich ein Tool benötigt, was die IT-Komplexität intern reduziert.
Risiken für Versicherer
Neben Vorteilen und Chancen bieten Versicherungsplattformen natürlich auch Risiken für Versicherer. Dadurch, dass sie auf Plattformen im direkten Vergleich zu ihrer Konkurrenz stehen, erhöht sich der Preiswettbewerb und ein gewisser Preisdruck entsteht. Hinzu kommt, dass die Plattform-Marke selbst für Kunden entscheidend werden kann und die Versicherungsmarke zweitrangig wird. Gut für kleine Akteure auf dem Markt, die dadurch eine größere Chance bekommen, eher kontraproduktiv für größere Versicherer, die lange daran gearbeitet haben, sich eine vertrauenswürdige Marke aufzubauen.
Plattformen können die Wettbewerbsbedingungen und die Marktlogik immens verändern. Sie eröffnen Versicherern aber auch eine gesteigerte Reichweite und neue Märkte. Wenn Versicherer dem Wettbewerb am Plattformmarkt standhalten wollen, werden sie nicht darum herum kommen ihre Back-end Prozesse zu automatisieren. Durch den gestiegenen Wettbewerbs- und Preisdruck auf Plattformmärkten, bestehen am Ende nur diejenigen Anbieter, die zeitnah Angebote bereiten können, denn der Kunde wählt schließlich zwischen allen im Augenblick verfügbaren Versicherungsprodukten aus. Für Sachversicherungen ist eine Automatisierung bereits deutlich sichtbar, bei biometrischen Versicherungsprodukten ist allerdings noch Nachholbedarf vorhanden.
Wir bleiben gespannt, wie sich der Markt sowohl global als auch in Deutschland weiterentwickelt und welche Versicherungsplattform sich in Deutschland etablieren wird. Wir halten sie auf dem Laufenden.
Weitere Artikel zum Thema eHealth und IT in der Versicherungsbranche finden Sie auf unserem Blog unter der Kategorie Versicherung.
** https://www.bitkom.org/sites/default/files/2019-10/bitkom-charts-digitale-plattformen-24-10-2019.pdf
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